Das Wichtigste vorweg: kein Kauf ohne Probefahrt. Was trivial klingt, ist beim Defender essentiell, denn viele unterschätzen, wie sehr sich dieses Fahrzeug von einem "Normalen" unterscheidet. Die Probefahrt sollte auch mind. 30 Minuten Autobahn enthalten, damit man in den "vollen Genuss" der Unterschiede kommt.
- Defender 90 oder 110 – sprich lang oder kurz?
- 90 ist ein kurzer Dreitürer mit 4 Sitzen; davon 2 Klappsitze im Kofferraum. Wenn hinten zwei (kleine) Personen sitzen, hat man nicht sehr viel Kofferraum übrig
- 110 ist ein langer Fünftürer mit 5-7 Sitzen. Die hintere Sitzreihe kann man umklappen – dann hat man einen Riesen-Kofferraum; die 3. Sitzreihe verfügt optional über die selben Klappsitze wie beim 90er
- Die Sitze ganz hinten sind erst ab 2007 "Menschensitze", d.h. nach vor gerichtet. Vorher waren sie längs zur Fahrtrichtung angeordnet.
- Der Defender ist zwar absolut klein; aber nicht handlich. Er fühlt sich beim Fahren an wie ein LKW. Der Wendekreis ist gross. Der kurze Defender ist etwas handlicher als der lange - aber immer noch nicht so handlich wie ein modernes Auto mit vergleichbaren Abmessungen.
- Neu oder alt?
- Der Defender ist nicht so zuverlässig wie in modern konzipiertes Auto. Es geht schon mal etwas kaputt. Ein neuer hat drei Jahre Garantie; optional verlängerbar
- Vor 2007 hatte der Defender einen Fünfzylinder Pumpe-Düse Diesel und war technisch etwas veraltet - auch in der Abgasnorm
- Ab 2007 hat der Defender den Ford Transit Vierzylinder Common-Rail Diesel mit Euro 4, 6-Gang-Getriebe, Buckel auf der Haube und mehr Komfort (Lautstärke, Heizung, Klima)
- Ab 2011 wird der Defender nur noch als LKW zugelassen (und versichert), um EU Vorschriften zu umgehen. Steuer bleibt jedoch PKW.
- Ab 2012 wurde der Hubraum bei gleicher Leistung von 2.4 auf 2.2 Liter verkleinert und ein DPF eingebaut, um Euro 5 sicherzustellen.
- Wer wissen will, was die Unterschiede zwischen 2.4 und 2.2 Modellen ist, lese folgenden Beitrag von mir
- Ab MY 2015 hat der Defender übrigens auch ESP
- Gebrauchte Defender sind relativ teuer und haben oft hohe Laufleistungen und manchmal extreme Einsätze. Das Auto ist extrem wertstabil lt. ADAC.
- Rostschutz?
- Der Defender ist zwar teilweise aus Alu – aber er rostet. Sogar ziemlich schnell und heftig.
- Die Türen und Hauben sind ab 2003 aus Stahl; vorher Alu beplankt auf ein Stahlgerüst
- Der Rahmen ist aus Stahl; die Karrosserie aus Alu (vernietet).
- Wo Alu auf Stahl befestigt ist, gibt es Kontaktkorrosion - d.h. die Alutüren "rosten" immer
- Die Anbauteile sind eher grundiert als lackiert und rosten alle
- Die Rostvorsorge ist nicht wie bei modernen Autos - sprich nicht vorhanden!
- Rahmen, Hecktraverse, Spitzwand vorne sowie Achsen rosten gerne und schnell.
- Unbedingt Unterbodenschutz und Hohlraumversiegelung nachträglich machen und permanent kontrollieren!
- Verarbeitungsqualität?
- Besser als man ursprünglich befürchtet - aber schlechter als bei einem modernen Auto
- Am Anfang sind sie meistens alle dicht; das ändert sich jedoch meist mit der Zeit
- Die drei Jahre Garantie bei Neufahrzeugen sind Gold wert und werden auch benötigt.
- Zuverlässigkeit?
- Tja - malträtiert doch mal einen VW Golf permanent im Gelände - dann fallen auch bestimmte Teile aus. So viel zur Zuverlässigkeit: hängt halt vom Einsatzgebiet ab.
- Die Grundkomponenten (Motor, Getriebe) sind Gross-Serie beim TD4 (Ford Transit); Rahmen, Chassis, Achsen etc. seit Jahrzehnten bewährt; die Anbauteile oft Schrott.
- Eine gewisse Leidensfähigkeit (und lange Garantie) sind nicht verkehrt - denn, es ist kein modernes Auto.
- Alltagstauglichkeit?
- Logisch. Sofern man mit einer eingeschränkten Reisegeschwindigkeit von 120 km/h leben kann. Aufpassen bei Tiefgaragen (siehe unten).
- Bei Federung und Lautstärke sollte man keine Mercedes-Ansprüche haben - muss jeder selbst einschätzen. Laut und holprig.
- Sitze, Klima, Heizung, ABS, elektrische Helferlein - alles vorhanden. Nur das Radio ist schlecht - aber das Fahrzeug ist eh sehr laut.
- Stil?
- Manche lassen den Defender klassisch – z.B. grün mit weissen Dach und weissen Stahlfelgen mit dürren Reifen. Innen Stoffsitze und Gummimatten. Gut.
- Wiederum andere bauen den Defender zum kompromisslosen Offroad-Fahrzeug um mit anderen Fahrwerk, Höherlegung, MT-Reifen, Schutzteilen etc. Cool.
- Manche machen aus dem Defender sowas wie ich: ein semi-modernes Alltagsfahrzeug mit Offroad-Charakter.
- Bevor man jedoch jetzt in den Umbauwahn verfällt, lese man meinen etwas humorvollen Artikel "Zen - oder die Kunst einen Defender zu fahren".
- Einsatzzweck und Gesundheitswarnung
- Der Defender ist ein landwirtschaftliches Nutzgerät für den Betrieb abseits von geteerten Strassen
- Die technische Grundkonstruktion ist über 60 Jahre alt
- Der Defender ist also kein modernes SUV!
- Selbst bei einem neuen Defender sind Qualität, Sicherheit, Komfort und Fahrleistungen auf den Stand der Technik vor 30 Jahren
- Für reinen Strassenbetrieb gibt es deutlich bessere, sparsamere, schnellere, komfortablere, handlichere und sichere Autos!
- Aber…
- Der Defender ist cool
- Der Defender ist robust
- Der Defender ist günstig und wertstabil
- Es gibt jede Menge Platz für Transportzwecke
- Der Defender erzieht zu einer sicheren Fahrweise
Edit: die neuralgischen Rostpunkte bei Defender:
- Hecktraverse, also der hintere, schwarze Abschluss. Ist aus Stahl. Rostet gerne, weil da der ganze Dreck hingepustet wird. Schauderhafte Lackqualität. Von hinten reinsehen.
- Rahmen. Ist auch aus Stahl. Normalerweise dauert das jedoch ewig, bis der durchgerostet ist. Ab MY 2011 (glaube ich) zumindest lackiert. Rostet von innen und aussen. Man erkennt jedoch einfach, ob da irgendwas drin ist. Eklig: Getriebetraverse, weil man der das nicht ansieht.
- Spritzwand. Ist ein doppeltes (Stahl-)Blech zwischen Fahrgastraum und Motor. Kann man nicht einfach von aussen kontrollieren. Ist beschränkt zugänglich, wenn man den Aussenspiegel abschraubt oder über eine Gummikappe in der Nähe der Scheibenwischer. Eigentlich braucht man einen Bohrer und ein Endoskop, um reinzusehen. Ist aussen schon Rost, ist es zu spät - das Teil rostet von innen nach aussen.
- Türen. Da läuft immer von oben Wasser rein. Oft sind die Abflüsse verstopft. Die Stahltüren rosten viel weniger als die alten Alu-Stahl-Konstruktionen. An den Abläufen unten erkennt man schon, ob irgendeine Hohlraumversiegelung drin ist.
- Cappings. Das sind die Stahlwinkel hinten, mit der die Alukarosserie vernietet ist. Ganz blöde Kombination: Alu auf Stahl. Manchmal ist darunter gar nicht lackiert. Sehr schwierig vorzubeugen. Maximal permanent ein gut kriechendes Zeug wie Fluid Film dort an den Rändern applizieren und hoffen.
- Windschutzscheiben-Rahmen. Ist zwar aus irgendeinem Aluguss aber das korrodiert. Immer! Meist unter der Fensterdichtung. Sieht man also nicht auf den ersten Blick. Aufwändig zu reparieren, weil das Dach abgenommen werden muss. Die Dichtung müsste eigentlich versiegelt werden.
- Alle Tür- und Haubenscharniere. Problemlos, denn der Ersatz ist preiswert.
- Alle Anbauteile: ebenfalls preiswert zu ersetzen - bis auf die Trittbretter - und die kann man notfalls weglassen oder durch Treeslider ersetzen.
- Alle Schrauben aussen. Kann man gegen Edelstahlschrauben ersetzen. Kostet nicht die Welt aber ist ein paar Stunden blöde Arbeit. Komplizierter, als man vermutet.
Edit: die neuralgischen technischen Punkte bei Defendern:
- das AGR Ventil. Stellt gerne den Betrieb ein. Kann man inzwischen rausprogrammieren lassen.
- die Kupplung: die Federn brechen gerne. Hört man am Rasseln.
- die Vakuumpumpe des Bremskraftverstärkers: die Dichtung gibt gern den Geist auf und es gibt eine grosse Ölsauerei im Motorraum
- die Steckachsen: die Verzahnung hat gerne Spiel; insbesondere, wenn sie nicht geschmiert wird. Gerne auch in Kombination mit Radlagern.
- die Zwischenwelle, welche Schalt- und Verteiler-Getriebe verbindet: die verliert manchmal ihre Verzahnung oder bricht. Dann steht das Auto.
- Und natürlich kann viel undicht werden: das Lenkgetriebe, die Achsdifferentiale, die Achskugeln vorne, Ölwanne, Getriebeverbindungen etc.