Samstag, 16. März 2013

Zen – oder die Kunst einen Defender zu modifizieren

Der Defender lockt aufgrund seines Kultstatus, seines relativ günstigen Einstiegspreises und der vermeintlich einigermaßen zeitgemäßen Technologie (Common Rail Diesel, 6-Gang, Allrad, ABS, Klima …) auch Fahrer von aktuellen (modernen) Fahrzeugen, welche in seiner Anschaffung einen Teil Ihrer persönlichen Selbstverwirklichung zum Ausdruck bringen wollen. Der Defender ist ein Statement: „seht her, ihr Allerweltsautofahrer: ich fahre etwas Besonderes.“

Und nach Studium der einschlägigen Internetforen, Webseiten der Zubehörlieferanten (oder meines Blogs) wird diesem Interessentenkreis auch schnell klar, dass man den Defender auch verändern kann. Andere Räder, Tuning, Sportsitze, Riffelblech, HIFI Anlagen, LED Scheinwerfer, Standheizungen, Fahrwerke, Innenausstattungen, Anbauteile – die Möglichkeiten erscheinen grenzenlos.

Schnell wird vor dem Kauf seine persönliche Wunschliste erstellt und der vorher recht angemessene Anschaffungspreis katapultiert sich in astronomische Höhen. Es verbleibt selbst nach Studium der Foren und Befragung von anderen Defender-Fahrern eine gewisse Restunsicherheit, die gepaart mit den gelernten Kaufverhalten „normaler“ Autos oftmals in die Entscheidung mündet: „ich bestelle jetzt die Karre plus x Modifikationen lasse ich gleich beim Händler machen.“

Falsch.

Autofahren hat viel mit Psychologie zu tun. Der Mensch verändert sich, wenn er eine Zeitlang eine bestimmte Autokategorie fährt. Ich merke es an mir: fahre ich länger Porsche, werde ich zum glühenden Porschefan. Fahre ich dann länger Mercedes, werde ich zum bequemen Opa. In beiden Fällen adaptiere ich nicht nur meine Fahrweise sondern auch mein Verhalten im Strassenverkehr und meine innere Einstellung zum Rest der Verkehrsteilnehmer und mir selbst.

Wechsle ich die Fahrzeugkategorie, so verändere ich mich langsam selbst. Ich erfreue mich an manchen Veränderungen und an manche gewöhne ich mich nur langsam. Steige ich z.B. von einem relativ modernen Mittelklassefahrzeug auf den Defender um, dann erfolgt i.d.R. folgende Mutation:
  • Phase 1: (0-6 Monate): Wahnsinn – das ist ja ein ganz anderes Fahren. Toll. Und wie mich alle ansehen.
  • Phase 2: (6-24 Monate): Himmel, ist die Karre langsam, laut und unbequem. Da muss ich etwas machen. So kann ich ja unmöglich jemanden mitnehmen…
  • Phase 3: (ab 12 Monaten): Echt erstaunlich, wie gut das Auto fährt und zu mir passt. Warum habe ich das nicht schon früher gekauft?
Der Übergang zwischen den Phasen ist sanft und bei jedem Menschen anders.

Wichtig ist jedoch, dass man alle Modifikationen erst in Phase 2 ausführt. Man stelle sich vor, dass man beim Kauf des Defenders das serienmässige Radio durch eine High End HIFI Anlage austauschen lässt. Dann kommt man in Phase 2 und ärgert sich, weil sie schlecht klingt. Klar; der Defender ist bauartbedingt keine akustische Glanzleistung. Natürlich weiss man gar nicht, wie das Serienradio geklungen hat und ärgert sich, dass man noch dazu viel Geld zum Fenster rausgeworfen hat. Tauscht man jedoch in Phase 2 erst das Radio aus, freut man sich, welche Verbesserungen man beim Defender herbeiführen kann.

In Phase 3 wird man dann genügsam. Ein sporadischer Wassereinbruch treibt einem nicht mehr zum Wahnsinn bzw. zum Händler. Die Modifikationen werden weniger und anders. Erhaltungsinvestitionen stehen im Vordergrund. Man will niemanden mehr beeindrucken.

Defender-Fahren ist Teil einer Lebenseinstellung. Das Auto ist anders, als andere Autos. Viele Leute unterschätzen, dass man diesen neuen Lebensabschnitt auch planen muss.

P.S. Auf weitere Aspekte zum Neukauf bin ich im Beitrag "Kaufberatung" etwas sachlicher eingegangen.

Neue Aspekte nach Einstellung des Defenders 2016

Wie jedem Leser bekannt sein sollte, wurde die Produktion des Defenders Anfang 2016 eingestellt. Seitdem schiessen die Preise in die Höhe und man sieht in dem Defender sowohl ein Kult- als auch ein Anlageobjekt.

Dies sollte einem natürlich bei jeder Veränderung bewusst sein: Erfahrungen mit anderen Marken/Produkten zeigen, dass man auf irreversible und optische Modifikationen möglichst verzichten sollte, da langfristig nur unverbastelte Fahrzeuge im Originalzustand (a) ein langes Leben und (b) einen Werterhalt zeigen.

Mit "langfristig" meine ich jedoch 20 bis 30 Jahre ab jetzt. Wer soweit nicht denken will, kann fröhlich weiter schrauben.

Beispiel: was wurden vor 20 Jahren an luftgekühlte Porsche fleissig Spoiler hingeschraubt, Felgen/Räder, Lenkräder ausgetauscht andere Sitze eingebaut und HIFI Anlagen verbessert.  Nachträglich gesehen lauter Todsünden. Aber noch schwerer wiegt eine nachlässige Behandlung, die sich heute in Rost und/oder technischen Problemen ausdrücken.

Auf den Defender diese Logik angewandt: nur Veränderungen, welche "zeitgenössisch" sind und vom Werk als Option angeboten wurden, sind zulässig: also LR Recaro Sitze, Startech Lenkräder und Schalthebel, Nolden LEDs, Kotflügel-Riffel etc. sind Teile, die es ab Werk oder in Sondermodellen gab. Und natürlich natürlich echte (unsichtbare) technische Verbesserungen wie andere Dämpfer, verbesserte Schaltung, Edelstahl Anbauteile (in Originaloptik!), Standheizung, etc. sind gut.

3 Kommentare:

  1. Wieder schöne Gedanken, vielen Dank für den Beitrag! Ende April hoffe ich aus pünktliche Lieferung von der Insel :o)

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  2. Herrlich!

    ich augenblicklich in der Phase in der ich wieder unglaublich gerne in meinen Defender steige!
    Mit dem Mittelklasse Auto fahre ich nicht einmal mehr in die Stadt. Warum? Der Defender hat neue Felgen und eine Hifi-Anlage das will getestet werden!

    Grüße aus Starnberg!

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  3. Im Rahmen der Recherche nach meinen nächsten Pneus, die ja meinen Landy noch cooler werden lassen sollen stieß ich auf deinen Blog. Herrlich zu lesen und wie wahr. Werde mal weiter bei dir stöbern, danke schön.

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